
In einer Welt voller Lärm, Eile und Ablenkung sind es oft die leisen Töne, die am tiefsten berühren. Pfarrer Raphael Häckler lädt mit seinen Texten dazu ein, einen Moment innezuhalten – zum Nachdenken, zum Innehalten, zum Wiederentdecken dessen, was uns im Innersten bewegt.
Hier finden Sie Gedanken, Predigten und spirituelle Impulse, die nicht nur informieren, sondern inspirieren möchten – Worte, die trösten, stärken und verbinden. Ob im Alltag, in Momenten der Freude oder Zeiten der Herausforderung: Diese Zeilen sollen Wegbegleiter sein – ehrlich, menschlich und voller Hoffnung.
Nehmen Sie sich Zeit für ein paar stille Minuten.
Herzlich willkommen!

Ich liebe den Frühling
13. April 2025
Ich liebe den Frühling.
Dieses erste Vogelgezwitscher morgens,
wenn es noch kalt ist.
Die Bäume, die langsam wieder grün werden.
Die Luft, die anders riecht.
Jedes Jahr atme ich dann auf.
Und trotzdem fühlt es sich irgendwie falsch an,
wenn ich mich gerade so freue,
dass das nächste Blümchen blüht.
Denn gleichzeitig brennt die Welt.
Sie steht in Flammen.
Kriege, Erdbeben, Überschwemmungen.
Menschen verlieren ihr Zuhause, sterben, flüchten.
Ich sehe die Nachrichten,–
Häuser, die nur noch Schutt sind,
Kinder im Staub,
verzweifelte Menschen, die nicht wissen,
wie es weitergehen soll.
Und währenddessen reißen sich
ein paar Selbstverliebte
irgendwo die Macht unter den Nagel
und entscheiden über Dinge,
die das Leben von Millionen Menschen zerstören.
Ich fühle mich hilflos.
Aber: der Frühling kommt trotzdem.
Egal, was passiert.
Egal, wie schlimm alles ist.
Das Leben hält einfach nicht an.
Es findet seinen Weg.
Vielleicht ist genau das die Hoffnung,
die ich gerade brauche.
Dass nicht alles dunkel bleibt.
Dass es weitergeht.
Und dass selbst in einer kaputten Welt
noch Neues wächst.
Daran erinnern uns die Zweige
die am Palmsonntag gesegnet werden….
Grün wie die Hoffnung,
mögen sie in uns die Trotzkraft stärken.

Die Schnecke
11. Mai 2021
Heute hat mir meine Schwester
per Whatsapp ein Foto von ihr geschickt –
der neuen Mitbewohnerin in ihrem kleinen Garten
in Schevenhütte.
Sie sah irgendwie besonders aus
und hat mich gleich fasziniert.
Um zu wissen, mit wem ich es zu tun habe,
habe ich das Foto an eine Freundin gemailt,
die sich auskennt. Sie ist Biologin.
„Eine schöne Mitbewohnerin hat deine Schwester da,“
bekam ich postwendend als Antwort.
„Eine Weinbergschnecke. Sehr nützlich.
Sie mag alte Blätter und die Eier der Nacktschnecken.
Übrigens: Sie kann 15 Jahre alt werden.“
Meine Schwester und ihre Mitbewohnerin
werden sich also künftig wohl häufiger begegnen.
Allerdings wahrscheinlich nur morgens und abends –
denn tagsüber schläft die Schnecke
und meine Schwester ist bei der Arbeit.
Manchmal denke ich,
dass so einen Begegnung wie die mit dieser Schnecke
ein kleines Gottesgeschenk ist.
In allen negativen Seiten von Corona
gibt es doch auch diese kleinen Lichtblicke,
die man entdecken kann:
Ein Zilpzalp im Gebüsch, ein Biber am Wegrand,
ein Gelbspanner am Fensterbrett.
Mag sein,
dass ich mir erst jetzt die Zeit nehme,
über die kleinen Wunder des Lebens zu staunen.
Doch ich spüre; das tut mir gut.
Staunen, das hat schließlich schon Aristoteles gelehrt,
ist der Anfang des Philosophierens.
Und so staune ich auch über die große Schnecke.
Sie lehrt mich viel!
Wenn ich sie beobachte, werde ich demütig.
Wie sehr kreise ich um meine Bedürfnisse
und halte meine Perspektive für das Maß der Dinge.
Dieses kleine Wesen ist völlig unbeeindruckt von dem,
was mich umtreibt.
Sie ist ganz konzentriert bei ihren Schneckenaufgaben.
Wie leicht lasse ich mich dagegen oft ablenken!
Mit ihrer Schnecke entdeckt
meine Schwester das Geheimnis der Entschleunigung, obgleich sie durchaus zügig
im kleinen Garten unterwegs ist.
Sie gleitet mit einer Eleganz über Steine und Grashalme,
die durchaus mit den Balletttänzern
unseres Staatstheaters mithalten kann.
Ganz nebenbei hält sie den Garten Nacktschneckenfrei
und vergreift sich nicht mal
an den frischgrünen Blättern der Anemone.
Die Schnecke regt zu einem Perspektivwechsel an.
Rastlosigkeit und Angst
haben nicht die Deutungshoheit über das Leben.
Es tut einfach gut,
sich ab und zu von der Hektik und Sorge des Alltags
zu distanzieren.
Vielleicht denken wir alle mal dran,
wenn wir nach der Pandemie
morgens wieder im Auto sitzen und ins Büro fahren.
und man wieder Schnelligkeit und Effizienz
von uns erwartet!
Dann schaue ich auf die Schnecke
und lass mir von ihr sagen sagt:
Brauchst nicht so zu hetzen, Zeit ist genug da!
Es kommt immer neue nach!!